Boppard

E-Mobilitätstag in Boppard: Mit dem E-Auto in die Bretagne? Kein Problem!

Ein Infotag zu Elektro-Mobilität ohne kommerzielle Absichten ist eine Seltenheit. Es waren ausschließlich Privatleute, die am vergangenen Samstag ihre elektrischen Fahrzeuge in Boppard-Buchenau präsentierten und den Besuchern Fragen aus ihrer alltäglichen Fahrpraxis und Erfahrung beantworten konnten.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Bei dieser Autoausstellung wurde nicht „Benzin“, sondern „Strom geredet“.

Jochen Magnus

E-Mobilität interessiert alle Generationen. Hier die Pflegesöhne von Emanuel Luther (Frontsitze) bei einer Vorführung.

Jochen Magnus

Die Besucherzahl hielt sich wegen des frostigen Wetters (-3° C) in Grenzen.

Jochen Magnus

Viele E-Auto-Typen wurden ausgestellt. Von den populären Modellen fehlte nur der E-Smart.

Jochen Magnus

Stille Beobachterin im warmen Tesla.

Jochen Magnus

Simon aus Kollig bei Mayen errang bei der Verlosung den Hauptgewinn: einen Tesla, natürlich mit elektrischem Antrieb.

Jochen Magnus

Ingo Schwanenberger ist schon von Berufs wegen „grün“; er ist Gärtner und betreibt in Boppard-Buchenau den Gartenfachmarkt Bogama. Umweltschutz ist ihm ein Anliegen, er praktiziert in großem Stil Regenwassernutzung, Solarthermie, Fotovoltaik und Holzheizung. Sein neustes Projekt ist die Förderung von umweltfreundlicher E-Mobilität. Vergangenes Jahr hat Schwanenberger zwei Ladesäulen auf seinen Kundenparkplätzen aufgebaut. Seither wird er oft dazu angesprochen. „Leider ist es so, dass, wenn man einen Kunden neugierig auf ein E-Auto gemacht hat und dieser dann wirklich in einem Autohaus zur Info oder Probefahrt war, dann meist enttäuscht wieder zurück kommt. Entweder hat er dort eine schlechte Beratung erfahren und/oder es stand kein entsprechendes Auto zum Anschauen oder Probefahren zur Verfügung.“ Das gab für ihn den Ausschlag, einen Infotag mit privaten E-Auto-Besitzern zu organisieren. In dem Internetforum „goingelectric.de“ rief er zur Teilnahme auf – und 20 E-Auto-Fahrerinnen und -Fahrer sagten zu.

Die meistgestellte Frage bei der Veranstaltung lautet natürlich: „Und wie weit kommen Sie mit dem Auto?“ Die nackten Zahlen schrecken ab: zwischen 120 und 500 Kilometer, je nach Modell. Doch praktisch kommt man schon weit. Mit einem Tesla sowieso, aber auch mit einem elektrischen Mittelklasseauto: Heike Greco aus Wuppertal fährt so einen, den Hyundai Ioniq. Im Alltag hat der Wagen eine Reichweite von gut 200 Kilometer. Das klingt wenig, doch im vergangenen September war sie damit in der Bretagne unterwegs: 1000 Kilometer pro Strecke, mit Ausflügen kamen insgesamt 3600 Kilometer auf den Tacho. „Wir sind in Frankreich gut zurechtgekommen, in jedem Dorf gibt es dort eine Lademöglichkeit, auf Autobahnen genügend Schnelllade-Stationen.“ Insgesamt fand sie die elektrische Reise „entspannter, als ,fossil' zu fahren.“ Frau Greco widerspricht auch dem oft gehörten Vorbehalt, ohne Lademöglichkeit zu Hause käme ein E-Auto gar nicht in Frage. „Ich fahre alle ein bis zwei Tage zu einer Schnellladestation, das kann man einplanen wie einen Hundespaziergang.“ Ihr Fazit: „Wenn man elektrisch fahren will, dann klappt das auch heute schon.“

Gar keine Reichweitensorgen muss sich Emanuel Luther machen. Der selbständige Erzieher reiste mit zwei elektobegeisterten Pflegesöhnen und vier weiteren Elektromobilisten eigens aus Wuppertal an. Mit seinem Tesla-X musste er dafür nicht mal nachladen, der Strom reicht sogar noch für die Rückfahrt. Sieben Personen passen in den Elektro-SUV und deshalb hat ihn Luther auch gekauft. Zwar will er nicht „Taxi Papa“ spielen, doch hin und wieder fährt er seine Pflegetöchter und -söhne damit durch die Stadt. Wichtiger noch: Familienausflüge kann er mit dem großen Wagen problemlos absolvieren, 25.000 Kilometer addieren sich im Jahr auf den Tacho. Etwas anderes als ein E-Auto kommt für Luther überhaupt nicht in Frage. Seine einzige Negativerfahrung mit dem Tesla?`„Hin und wieder erschrecken sich Fußgänger, weil der Wagen so leise daher rollt.“ Ganz und gar nicht leise ist dagegen die Vorführung eines „Eastereggs“ des Model X.

Mit dem öffnen des externen Inhaltes erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten an https://www.youtube.com/embed/iIXnrifCqbM übermittelt werden und Sie die Datenschutzerklärung gelesen haben.
Vorführung eines „Easteregg“ des Tesla X. (Die komplette Show eines Tesla X auf ?t=45s„ target=“_blank„>Youtube)

Tesla erlaubt sich von Zeit zu Zeit digitale Späße mit seinen Autos und versteckt „Überraschungseier“ in den Updates der Software. Luthers Tesla spielt poppige Musik, „zwinkert“ dazu mit Blinkern und Scheinwerfern und bewegte die (Flügel-) Türen und Spiegel im Takt – die Besucher klatschen Beifall.

Überhaupt erregen die drei ausgestellten Teslas das meiste Interesse der Besucher: „Gehört der Ihnen? Gibt's den auch 'ne Nummer kleiner?“ wird Holger Dennert gefragt. Der E-Enthusiast war mitsamt Familie in einer Tesla S-Limousine aus Euskirchen angerollt. „Alle quatschen über Elektroautos, ich dachte mir: Das probier' ich mal aus“, sagt er. Als IT-Leiter in einem Industrieunternehmen beschäftigt, begeistert ihn neben dem umweltfreundlichen Antrieb auch das volldigitalisierte Auto, denn das Digitale ist schließlich sein Beruf. „Er ist offen – setzen Sie sich einfach mal rein“, ruft er einem neugierigen Besucher zu. Wenn das Interesse groß genug ist, lädt er auch schon mal zu einer kleinen Proberunde durch Boppard ein.

Elektrizität aus umweltfreundliche Quellen zu erzeugen, ist das Fachgebiet von Thomas Speth, er wirkte an der Konstruktion großer Sonnenkraftwerke mit: „Wenn man sich für Solarenergie begeistert, kann man ja gar nicht anders, als elektrisch zu fahren.“ Reichweite ist für ihn kein Thema, sein Renault Zoe fährt an die 300 km mit einer Akkuladung. „Die Fahrgewohnheiten haben sich ja auch über die Jahre geändert“, hat er beobachtet „heute fahren viele Leute größere Strecken lieber mit der Bahn oder fliegen.“ Wenn Speth seinen Wagen nachladen möchte, ärgert er sich gelegentlich über geschlossene Ladestationen, zum Beispiel außerhalb der Geschäftszeiten beim ADAC oder der Sparkasse in Koblenz.

Eine Dame aus Boppard fährt schon seit 60 Jahren Auto. Altersbedingt, wie sie betont, fährt sie inzwischen fast nur noch Kurzstrecken. Die Folge: „Mein Diesel verrußt regelmäßig, daher sehe ich mich nach einem E-Auto um“. Das soll aber eine erhöhte Sitzposition haben. Vielleicht kann es ein E-Smart werden, der zwar klein ist, aber eine relativ hohe Sitzposition bietet? Sie wird sich im Internet informieren, denn der kleine Flitzer ist leider nicht vor Ort.

Aufgeschreckt und auch ein bisschen verunsichert vom Dieselskandal ist Philip De Roy aus Boppard. Der gebürtige Holländer besucht öfter seine Familie, und diese Strecke traut er einem E-Auto noch nicht zu. Eher schon kommt für ihn ein Hybrid in Frage, und er freut sich, dass er Infos aus ersten Hand fast direkt vor seiner Haustür erhält.

Dass Ingo Schwanenberger mit seiner Aktion richtig lag, beweist eine E-Mail, die er gleich am Sonntagmorgen erhält: „Ich war gestern auf Ihrem Infotag zu Elektroautos und wollte mich einfach mal dafür bedanken. Eine sehr gelungene Aktion. Man konnte mit den (Privat) Besitzern reden und wurde nicht von Verkäufern vollgequatscht. Man hat den Eindruck, daß die auch gar keine Elektroautos verkaufen wollen. Interessant war, dass alle Besitzer, mit denen ich gesprochen habe, sehr zufrieden waren. Ich werde mir auch ein E-Auto zulegen.“

Einwurf: Daumen hoch für Elektromobilität

Ich summe jetzt seit mehr als zwei Jahren mit einem elektrischen Motorrad durch die Heimat und seit vergangenem Herbst auch noch mit einem E-Auto. Ich gebe zu, ein bisschen fühle ich mich als Vorreiter der neuen, umweltfreundlichen Technik und erwarte ein wenig Anerkennung. Aber ich ernte selten Reaktionen, kaum einer schaut hin. Zum Teil liegt das sicher an der elektrischen Unauffälligkeit, schließlich hört mich keiner kommen. Aber ist die neue Art der Fortbewegung wirklich so uninteressant?

Jochen Magnus auf dem E-Mobilitäts-Trip

Vor einigen Tagen hatte ich mich zu 20 Elektro-Enthusiasten gesellt, die dem Ruf des Bopparder Ingo Schwanenberger gefolgt waren. Auf dem Kundenparkplatz seines Gartenfachmarkts fröstelten wir sieben Stunden vor uns hin. Abgesehen von einem kurzen Zwischenhoch am Vormittag waren die Besucher kaum zahlreicher als Elektroautos auf unseren Straßen. Lässt E-Mobilität die Leute wirklich kalt oder lag es nur am Mistwetter?

Vielleicht braucht es einfach noch Zeit, bis elektrische Autos im Alltag ankommen. Vielleicht braucht es sogar eine neue Generation von Autofahrern: Kürzlich fuhr ich auf der Hauptstraße meines kleinen Heimat-Hunsrückdorfes durch ein Spalier spielender Jungs. Da hielt mir einer den hochgestreckten Daumen entgegen und nickte anerkennend mit dem Kopf.

Mir dämmert: Neue Männer braucht das Land! Denn wenn die Jungs vom Straßenrand einmal erwachsen geworden sind – so in zehn, zwölf Jahren – dann wird sich das Blatt gewendet haben: Wer dann noch im Benziner oder gar im Gottseibeiuns (Diesel) an spielenden Jungs und Mädels vorbeistinkert, wird vielleicht einen gesenkten Daumen ernten.

In diesem Sinne: Thumbs up! Daumen hoch für die Elektromobilität, ihre Zeit wird kommen!

Meistgelesene Artikel