Großprojekte (3): Eveline Lemke (Grüne) bekämpft neue Verkehrswege aus Beton

Von Eveline Lemke (Grüne)

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In der Bevölkerung ist der Wunsch nach Mitsprache bei Entscheidungen, die ihr persönliches Lebensumfeld betreffen, so groß wie selten. Die Menschen ergreifen vielfältige Möglichkeiten, gegen aus ihrer Sicht verfehlte Entscheidungen zu protestieren. Zehntausende gehen auf die Straße oder entwickeln neue Protestformen im Internet. Wenn die Menschen heute mehr Beteiligung einfordern, ist das für uns Grüne eine begrüßenswerte Entwicklung, ist unsere Partei doch selbst vor 30 Jahren aus verschiedenen Gruppen der Umwelt-, Frauen- und Friedensbewegung entstanden.

Die Politik steht vor der Herausforderung, mit diesem Wunsch nach Mitsprache konstruktiv umzugehen. Sie muss zuhören, in Dialog mit den Menschen treten und ihre Entscheidungen nachvollziehbar begründen. Und das nicht nur vor anstehenden Wahlen. Bei zahlreichen Großprojekten scheint genau das nicht zu gelingen.

Wer jetzt die Angst schürt, zukünftig ließen sich keine großen Projekte mehr umsetzen, hat nicht erkannt, was die Menschen umtreibt. So wurde aktuell der Bau von rund 33 Kilometern Stromleitung durch die Firma Amprion zwischen Koblenz und Bad Neuenahr fertiggestellt. Rund 266 alte Masten wurden durch 107 Freileitungsmasten ersetzt. Die Kosten für die Baumaßnahme betrugen 45 Millionen Euro.

Großprojekte dieser Art sind sinnvoll und zielführend, sichern sie doch unsere Daseinsvorsorge und ermöglichen die Einspeisung von erneuerbaren Energien in unsere Netze.

Es lohnt ein Blick auf die Logik des Scheiterns von Großprojekten. Projekte scheitern, wenn sie für eine verfehlte Verkehrspolitik stehen. Rheinland-Pfalz hat die höchste Straßendichte aller Bundesländer im Vergleich. Und dennoch werden weiterhin Ost-West-Achsen geplant und unvermindert die verfehlte Verkehrspolitik der 1970er- Jahre fortgesetzt. Der Hochmoselübergang hat für uns Grüne hier große Symbolkraft.

Mehr als 330 Millionen Euro sollen in eine Betonbrücke investiert werden, die verkehrspolitisch unsinnig und ökologisch verheerend ist. Wir wollen stattdessen in die Erhaltung und Sanierung des Straßennetzes investieren. Zusätzlich wollen wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen. Mit Angeboten, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und eine echte Alternative zum Autoverkehr darstellen.

Projekte scheitern, wenn die Bedürfnisse der Bürger vor der Planung nicht richtig abgefragt werden oder sie nicht glaubwürdig beteiligt werden. Nehmen wir das Beispiel der Mittelrheinbrücke: Die Menschen wollen über den Rhein, und sie wollen dies kostenlos, den ganzen Tag. Dieses Bedürfnis könnte zum Beispiel durch den Erhalt der Fährstandorte, durch die Ausweitung des Betriebes auf 24 Stunden und kostenlosen Fährverkehr für die Anwohner befriedigt werden.

Stattdessen setzen SPD, CDU und FDP auf eine 60 Millionen Euro teure Brücke, die noch mehr Lärm ins Mittelrheintal bringt, schlechte Auswirkungen auf den Tourismus hat und die Probleme in der Region nicht löst. Wenn jetzt Bürgerbeteiligung nur als Bürgerberuhigung verstanden wird, verhindert das weitere Proteste nicht.

Projekte scheitern, wenn ihr Erfolg allein vom Mengenwachstum abhängig gemacht wird. Oder klare Entscheidungsstrukturen fehlen, sodass Verantwortung nicht mehr zuzuordnen ist. Sie sind fehleranfällig und öffnen Tür und Tor für Verschwendung und Betrug. Wenn diese Faktoren zusammentreffen, kann sich ein Skandal wie der am Nürburgring entwickeln. Als Infrastrukturmaßnahme für die Region geplant, zerstört das Geschäftsgebaren der neuen Herren am Ring jetzt auf Kosten der Steuerzahler regionale Wirtschaftsstrukturen. Das Desaster am Nürburgring hat nicht nur die SPD, sondern haben auch CDU und FDP politisch zu verantworten.

Der Nürburgring ist aber auch Beispiel für eine falsche Subventionspolitik. Diese setzt sich in Rheinland-Pfalz bei den Regionalflughäfen im Land fort. Millionen werden in unrentable Projekte gepumpt und mit dem Flugzeug eines der umweltschädlichsten Verkehrsmittel subventioniert. Gleichzeitig nimmt die Lärmbelastung für die Menschen zu und die Lebensqualität ab.

Gegen alle vernünftigen Argumente werden hier Prestigeprojekte subventioniert, die den Menschen in der Region gegen das Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, die Nachtruhe abkaufen.

Projekte gelingen, wenn Entscheidungen mit Blick auf das große Ganze getroffen werden. Mit Finanzkrise, Klimakrise, globaler Armut und Ungleichheit erleben wir zeitgleich drei Krisen, die in starken Wechselbeziehungen zueinander stehen. Diese Krisen sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen wirtschaftsliberalen Deregulierungspolitik.

Die prognostizierte Verdoppelung der Güterströme durch Rheinland-Pfalz ist auch ein Resultat dieser Deregulierungen. Verkehrspolitische Konzepte müssen deshalb in Wechselwirkung mit Klimaschutz und Wirtschaft gedacht werden.

Der Blick auf die Logik des Scheiterns von Großprojekten zeigt: Wo über die Köpfe der Menschen hinweg regiert wird, schlägt Unmut schnell in Protest um. Deshalb muss Politik mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl handeln, dann können auch große Projekte Segen bringen!